AMK-Information: Rote-Hand-Brief zu kombinierten hormonalen Kontrazeptiva:
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AMK-Information: Rote-Hand-Brief zu kombinierten hormonalen Kontrazeptiva:
Thromboembolie-Risiko unterschiedlicher Präparate und Bedeutung individueller Risikofaktoren
Die Zulassungsinhaber bestimmter kombinierter hormonaler Kontrazeptiva informieren in Abstimmung mit dem BfArM und der EMA über das Thromboembolie-Risiko in Abhängigkeit des eingesetzten Gestagens und der individuellen Risikofaktoren der Patientinnen. Gegenstand des Rote-Hand-Briefes sind kombinierte hormonale Kontrazeptiva die Ethinylestradiol oder Estradiol sowie eines der folgenden Gestagene enthalten: Chlormadinon, Desogestrel, Dienogest, Drospirenon, Etonogestrel, Gestoden, Nomegestrol, Norelgestromin oder Norgestimat.
Die Erkenntnisse gehen zurück auf ein europäisches Bewertungsverfahren der EMA zum Nutzen-Risiko-Potential von kombinierten hormonalen Kontrazeptiva unter besonderer Berücksichtigung des Risikos für venöse Thromboembolien (VTE). Während das Risiko für VTE unter den niedrig dosierten kombinierten hormonalen Kontrazeptiva (mit Ethinylestradiol < 50 μg) generell gering ist, zeigen sich jedoch je nach verwendetem Gestagen Unterschiede. Aktuell verfügbare Daten deuten darauf hin, dass kombinierte hormonale Kontrazeptiva, die die Gestagene Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat enthalten, das niedrigste VTE-Risiko aufweisen. Zu einigen Gestagenen liegen derzeit keine ausreichenden Daten für eine abschließende Beurteilung des VTE-Risikos vor. Klinische Studien hierzu sind jedoch bereits initiiert oder in Planung. Eine Übersicht zur Abschätzung des VTE-Risikos sowie der Inzidenz an VTE bei einigen kombinierten hormonalen Kontrazeptiva ist in Tabelle 1 wiedergegeben. Das VTE-Risiko ist im ersten Jahr der Anwendung eines kombinierten hormonalen Kontrazeptivums beziehungsweise nach einem erneuten Beginn der Anwendung (nach einer Anwendungspause von mindestens 4 Wochen) am höchsten. Verglichen mit einer Schwangerschaft und der Postpartalphase ist das VTE-Risiko bei Anwendung von kombinierten hormonalen Kontrazeptiva jedoch generell niedriger.
Neben dem Risiko für VTE ist auch das Risiko für eine arterielle Thromboembolie (ATE) unter Anwendung von kombinierten hormonalen Kontrazeptiva erhöht; die verfügbaren Daten lassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt bei niedrig dosierten kombinierten hormonalen Kontrazeptiva (Ethinylestradiol-Gehalt < 50 μg) keine Unterschiede hinsichtlich des Risikos für ATE erkennen.
Bei den meisten Frauen überwiegt der mit der Anwendung von kombinierten hormonalen Kontrazeptiva verbundene Nutzen das Risiko für das Auftreten schwerwiegender Nebenwirkungen bei weitem. Es gilt jedoch, individuelle Risikofaktoren der Anwenderinnen vor der Erstverschreibung und auch danach regelmäßig zu prüfen und die Anwenderinnen über die Anzeichen und Symptome einer VTE beziehungsweise ATE aufzuklären. Es wurden zusätzliche Unterlagen erstellt, die die ärztliche Beratung unterstützen sollen. Hierzu zählt eine Checkliste, die der verordnende Arzt mit der Anwenderin durchgehen soll, um sicherzustellen, dass kombinierte hormonale Kontrazeptiva für die betreffende Frau geeignet sind, wie auch eine Patientinnenkarte, auf der die wichtigsten Anzeichen und Symptome einer VTE beziehungsweise ATE aufgeführt sind. Diese Karte sollte jeder Anwenderin von kombinierten hormonalen Kontrazeptiva vom behandelnden Arzt ausgehändigt werden. Der Mustertext kann auf der AMK-Homepage eingesehen werden. Bei Vorliegen eines der folgenden Risikofaktoren für eine VTE oder ATE sollen kombinierte hormonale Kontrazeptiva nicht angewendet werden: Bestehende Thromboembolie oder Thromboembolie in der Vorgeschichte (zum Beispiel tiefe Beinvenenthrombose, Lungenembolie), Herzinfarkt und Schlaganfall, transitorische ischämische Attacke, Angina pectoris, bekannte Blutgerinnungsstörungen, bekannte Migräne mit fokalen neurologischen Symptomen (Aura), Diabetes mellitus mit Gefäßschädigung, ausgeprägte Hypertonie (systolischer Blutdruck ≥ 160 oder diastolischer Blutdruck ≥ 100 mmHg), schwere Dyslipoproteinämie oder größerer bevorstehender chirurgischer Eingriff oder eine längere Immobilisierung.
Verordnende Ärzte sollen vor dem Hintergrund dieser Informationen sowie anhand der aktuellen Produktinformation und Behandlungsleitlinien das für jede Frau am besten geeignete Kontrazeptivum auswählen. Die Entscheidung, welches Präparat angewendet werden soll, ist erst nach einem Gespräch mit der Frau zu treffen. Die Möglichkeit einer arzneimittelinduzierten Thromboembolie ist stets in Erwägung zu ziehen, wenn sich eine Anwenderin von kombinierten hormonalen Kontrazeptiva mit Symptomen einer VTE vorstellt (zum Beispiel starke Schmerzen oder Schwellungen eines Beins, die von Druckschmerz, Erwärmung oder Änderung der Hautfarbe des Beins begleitet sein können, plötzliche unerklärliche Atemnot, starker Brustschmerz) oder mit Symptomen eines Myokardinfarktes oder Schlaganfalls. Die jeweiligen Fach- und Gebrauchsinformationen der einzelnen Präparate werden derzeit an den aktuellen Kenntnisstand und entsprechend der behördlichen Vorgaben angepasst.
Die Apotheken werden gebeten, alle Verdachtsfälle unerwünschter Wirkungen im Zusammenhang mit der Anwendung von kombinierten hormonalen Kontrazeptiva an die AMK (www.arzneimittelkommission.de) zu melden.
Tabelle: VTE-Risiko kombinierter hormonaler Kontrazeptiva
Gestagen, welches im kombinierten hormonalen Kontrazeptivum enthalten ist (kombiniert mit Ethinylestradiol, sofern nicht anders angegeben):
1) Nichtschwangere Nichtanwenderinnen: Relatives Risiko im Vergleich zu Levonorgestrel = 0; Geschätzte Inzidenz (pro 10 000 Frauen und Anwendungsjahr)= 2
2) Levonorgestrel: Relatives Risiko im Vergleich zu Levonorgestrel = Referenz; Geschätzte Inzidenz (pro 10 000 Frauen und Anwendungsjahr)= 5-7
3) Norgestimat/Norethisteron: Relatives Risiko im Vergleich zu Levonorgestrel = 1,0; Geschätzte Inzidenz (pro 10 000 Frauen und Anwendungsjahr)= 5-7
4) Gestoden/Desogestrel/Drospirenon: Relatives Risiko im Vergleich zu Levonorgestrel = 1,5—2,0; Geschätzte Inzidenz (pro 10 000 Frauen und Anwendungsjahr)= 9-12
5) Etonogestrel/Norelgestromin: Relatives Risiko im Vergleich zu Levonorgestrel = 1,0—2,0; Geschätzte Inzidenz (pro 10 000 Frauen und Anwendungsjahr)= 6-12
6) Chlormadinonacetat/Dienogest /Nomegestrolacetat (E2): Relatives Risiko im Vergleich zu Levonorgestrel = Noch zu bestätigen; Geschätzte Inzidenz (pro 10 000 Frauen und Anwendungsjahr)= Noch zu bestätigen.
E2: Estradiol
Quelle
BfArM; Rote-Hand-Brief zu kombinierten hormonalen Kontrazeptiva, einschließlich Informationsmaterialien: Risiko von venösen Thromboembolien. www.bfarm.de - Pharmakovigilanz - Risikoinformationen - Rote-Hand-Briefe und Informationsbriefe (3. Februar 2014)